mercoledì 22 aprile 2020

Text "Orte und Zeiten der Ikone" von Mariano Apa



                               

                             Fernanda Mancini  Orte und Zeiten der Ikone

                                                               Mariano Apa

2018

Im Lauf der Jahre haben die Erkundungen, die Fernanda Mancini im Dialog mit der Kunst unternommen hat, zu einem ihr eigenen, kohärenten und schlüssigen kritisch-ästhetischen Ganzen geführt, zu der geglückten Darstellung eines künstlerischen Raumes, in dem die Emotion ihre vielfältigen Intentionen zu einem reifen Ausdruck bringt.
Es geht der Künstlerin nicht darum, Theorien und Praktiken der Kunst historisch-kritisch nachzuvollziehen, vielmehr möchte sie in ihrem eigenen Bewusstsein die Ernüchterung über verbrauchte und korrodierte Kategorien und Weltanschauungen reifen lassen, dadurch den nihilistischen Stillstand überwinden und neu beginnen, mit einem anderen Blick in ursprünglichem Licht. Jeder Künstler strebt nach Identität, mit einer eigenen Form in Sprache und Stil, der seine besondere Sichtweise zum Ausdruck bringt. Fernanda Mancini schafft einen ikonographischen und ikonologischen Bereich von Zyklen, Volten, um in einem weitreichenden Panorama eine Vollkommenheit zu beschreiben, die in den einzelnen Schritten und im Ganzen ihre besondere Originalität hervorhebt.
Im Lauf ihres Lebens hat sich die Künstlerin intensiv mit Blauen Reitern und Paladinen der Alchemie, Surrealisten am Hof von König Apollinaire und der italienischen und europäischen Neoavantgarde auseinandergesetzt und so zu ihrer eigenen originellen Arbeitsweise gefunden, in der künstlerisch-kulturellen Realität der Kunst und der Tradition der Europäischen Avantgarden zwischen Anfang und Ende des 20. Jahrhunderts. Sie hat sich dabei ganz eigenen Studien gewidmet und mit Hingabe ihr eigenes Wirken vorangebracht.
Papier, Leinwand, Karton und Terracottablatt sind auf einer Fläche ausgebreitet oder hängen an einem Faden in der Luft und schweben in dem sie umgebenden Raum. Mit diesem Raum treten sie in einen Dialog, beginnen eine Interaktion wie bei einer Performance. Dazu bedarf es objektiv eines bestimmten Materials, doch die Künstlerin verwandelt es und setzt dabei eine Art heiliger Repräsentation von „Raum und Zeit“ in Szene.
Das magnetische Feld der Archetypen, in der Tiefe der sorgfältig im Innern bewachten Realitäten eines jeden von uns, kommt an die Oberfläche als Bedingung der Welt der Erscheinungen, es entzündet sich in dem Bild, das durch die Formung des künstlerischen Prozesses bestimmt wird. Kleines und offenes Blatt, Unendliches im Endlichen, Blatt und ganzer Baum: die inzestuösen Verweise im Atelierraum schweifen von Wand zu Wand und rufen einen ikonographischen Enzyklopädismus hervor, der „Ohr“ und „Gefäß“ in die Ikonographie des Empfangens einbezieht, dort wo zwischen Theologie und Alchimie oberhalb eines laizistischen Altars schimmernd das Blau einer Unbefleckten Jungfrau Maria entspringt.
Die Materialien ordnen sich der mentalen Struktur der Zeichnung unter. Sie sind auf der Oberfläche als fester, flüssiger oder luftiger Raum aufgebracht, auf nichts anderem als Karton oder Leinwand. Die Elemente entstehen wie ikonographische Realitäten und erzählen den ikonologischen Transfer. Das niedrige Profil des Horizontes kontrastiert mit der Krümmung der Linien, die in Harmonie mit dem räumlichen Klang der Feder nach oben streben: Leichtigkeit des Bildes und Bedeutung  des Fliegens und lebhafter Körper des luftigen Geschreis der Bewegung, wie zwischen wiederholten Senkrechten und Kreisen, der Oberfläche aufgeprägt. Hier ein Kreuz und eine Wand, eine Wirklichkeit aus Licht und Schatten, um die Transparenz angesammelter Zeiten zu durchdringen. So verkünden Kugel und Würfel, indem sie die Erinnerung Picassos in der Fünften Elegie von Rilke wachrufen, eine Geometrie der zeitlich-räumlichen Ordnung. Kugel aus Zeichen und Kugel aus Farben. So  trägt die farbliche Masse – Rot, Schwarz, Gelb - die Vorstellung von Gewicht und ikonographischer Tiefe in sich, die das Gezeigte in Erzählungen über antike und zeitgenössische Symbolik und Theologie sowie antike und zeitgenössische Philosophie umwandelt.  
So variiert das Kreuz je nach den Hinweisen früherer Deutungen, und Mancini wendet sich den verlorenen Schriften René Guénons zu, ein Orient ohne Orientalismus, und liest sie ganz neu.  Sie entdeckt dabei wieder die wunderbaren Miniaturen des vergessenen Katalonien, des früheren Florenz; dort wo sie es wagt, wahres Schreiben und wahre Malerei zusammenzubringen, verweist ein Poem auf ein Bild, und die räumlichen Koordinaten wachsen, angeregt von den Wahrheiten der Schönheit.
Papier in Streifen verkleinert die Räumlichkeit der Kreuzung von Vertikale und Horizontale und das bedeutsame Rot betont das Licht des wiederholten Opfers: So zeigt sich auf ähnliche Weise ein „byzantinisches Kreuz“ im smeriglio della pietra levigata in sfera incastonata als kostbares Kreuz der Spiritualität der griechischen Orthodoxie, das in der Transparenz einer hieratischen Bedeutung des vollkommenen Bildes zum Ausdruck kommt. Schoß der Erde, Schoß der Hirnschale der Erde, zu bewachen und ausersehen, tiefstes siderisches Hören entstehen zu klassen: Schoß und Ohr, Mund und Auge; Risse und Gefäße, um die Vorstellung der Materialanhäufung zu bewahren, das Erzählen, die Fähigkeit, die Elemente der archetypischen Phänomenologie zu benennen.
Die Struktur des Unbewussten ist in den Werken von Fernanda Mancini lebendig. Es findet sich dort die Einordnung der Ikonographien, auch der Bedeutung und des Wertes der Alchemie; es geht in ihren Werken jedoch darum, die Ikone der Seele derselben Ikone zu schaffen, so dass das Bild auf nichts anderes verweist als sich selbst, um alle Hinweise zu versammeln und gleichfalls die Wege zur Bedeutung des inneren Reisens eines jeden offen zu halten.
Bei dieser Arbeit zwischen dem Bild des Archetypus und der Wirklichkeit der poetischen Emotion innerhalb einer nie unterbrochenen philosophischen Reflexion bringt Fernanda Mancini in ihrem Werk die Suche nach einer Laizität der kompositorischen Verinnerlichung zum Ausdruck, die sich mit der Innerlichkeit eines religiösen Werkes verbindet, das historisch das Wagnis eingeht, sich „Göttlicher Kanon“ zu nennen – wie Lenz und Serusier es am Anfang der Beuroner Kunstschule forderten – dort wo zwischen den wiedergefundenen Wurzeln der historischen Avantgarden  Mancini mit dem Vergnügen erfüllter Bestrebung in einer Serie von Werken den „Esprit Nouveau“ des „Modulor“ von Corbusier bewahrt.
Das gelungene Gefüge der Werkzyklen von Fernanda Mancini zeigt die Bedeutung des Wundersamen, in dem die Malerei weisheitlichen Wert erlangt, wo die Poesie des Weges die Emotion der Farbe erzeugt, wie hingeworfen mit der Einfachheit einer gekonnten Geste, spontanem Handeln. Materie wie Mutter, und so bringt Fernanda Mancini die vielfachen Anordnungen der Sequenzen von Darstellungen, Ikonographien und malerischen Erkundungen dazu, sich zur Tradition in Beziehung zu setzen und zur kompositorischen Eleganz wie vom Würfel/Quadrat zur Kugel /Kreis in einer Pyramide /Dreieck; hier schließt sich die Serie der Kreise einer Einheit von Absichten und einem aussagekräftigen Werk an, in der Ausübung der Kunst, bei der Fernanda Mancini die Wege ihrer Recherchen zusammenführt. Bei der ergründeten Einheit des Werkes nämlich, der Wirklichkeit einer menschlichen Darstellung, die den Wert eines religiösen Bildes hat, als säkulare und heilige figürliche Darstellung der Weisheit, die bestrebt ist, gerade in der Ikone zum Ausdruck zu kommen.
(Ueberstzung von Christiane Landgrebe)

















 


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