Augsburger Allgemeine 27 agosto 2013
Materie und Geist als Einheit
Materie und Geist als Einheit
Fernanda Mancini stellt aus und ihr Mann
Roberto Giardina liest dazu Von Andreas Frey i
Dießen Sperrig ist der Titel der Ausstellung: „Der
Raum - Die Dinge - Die Fragmente - Im Bereich des Heiligen“, doch die Collagen,
Skizzen und Bilder von Fernanda Mancini wirken eher subtil. Im Taubenturm ist
die erste Ausstellung der Italienerin in Oberbayern zu sehen.
Die Bilder sparen mit großen Formen ebenso wie mit
großen Effekten. Beinahe asketisch wirkt die Sechsergruppe mit weißem
Hintergrund im obersten Stockwerk. Die Eindrücke sind skizzenhaft: Schwarze
Tuschestriche ziehen Verbindungslinien, oft sogar gestrichelt, als sei selbst
der Zusammenhang nur eine These, ein Versuch.
„Ich empfinde Materie und Geist
eigentlich als Einheit. Dies versuche ich wiederzugeben und zu
problematisieren“, sagt Fernanda Mancini. Und so verbinden die Strichel-Linien
in der Serie „Weiß“ rote und schwarze Kleckse sowie aus diesen Farben
erwachsende geometrische Formen.
Eine der Skizzen könnte ein Versuch über eine Familienbeziehung
sein: In der Mitte laufen die Punktierungen zusammen und bilden einen Knoten.
Eine andere Skizze erinnert an die Vorzeichnungen Leonardo da Vincis für
Fluggeräte. „Einbildungskraft“, nennt die in Berlin lebende Künstlerin das
Blatt, dem sie den aquarellierten Ausriss eines Abendhimmels beigefügt hat.
Auf der untersten Ausstellungs-ebene sind
Hinterglas-Collagen zu sehen. Die applizierten Materialien sind so klein, dass
viel vom nachthimmelartigen Hintergrund zu sehen bleibt.
Der Baum als starkes Symbol
Ungleich ausdrucksstärker sind die Bilder im
Mittelgeschoss. Schwarze Kartons, auf ferrarirotem Knitterpapier aufgelegt,
bilden die kraftvollen Hintergründe für mehrere Zyklen. Einer davon zeigt eine
Parkbank mit wechselnden grafischen Symbolen darüber, ein anderer Zyklus
wiederholt das Motiv des Baumes. Diesen findet man als starke Präsenz – ein
Stamm auf Blattgold gemalt – oder im Gegenteil als zweifachen Schemen: weiß
umrandet, wo er stand und blutrot, wo er gefällt am Boden lag. „Für mich ist die
Natur die Basis, die alles in sich trägt“, erläutert die studierte Philosophin.
Der Baum als „starkes Symbol“ deute zugleich auf die Menschheit, zumal auch
Jesus an einem Stamm gekreuzigt worden sei.
Weniger schwere Gedanken brauchten sich die Besucher am
Samstagnachmittag zu machen. Zur Ausstellung gab es eine Begleit-Lesung von
Roberto Giardina. Abwechselnd mit seiner Übersetzerin Helene Harth las der
italienische Berlin-Korrespondent aus seinem (vergriffenen) Buch „Anleitung,
die Deutschen zu lieben“.
Wechselseitig scheinen sich die Völker teils zu
bewundern, teils zu irritieren, wie das Publikum belustigt feststellte. Während
die Deutschen partout nicht verstehen können, warum Berlusconi von rund der
Hälfte der Italiener geliebt wird, sind den Romanen die deutsche Strebsamkeit
und die stets pessimistisch hinterfärbte deutsche Sicht aufs eigene Land
unbegreiflich. Diesen Selbstzweifel kennt das Volk auf dem Stiefel nicht:
„Typisch, dass die Deutschen immer interessiert, was andere Nationen über sie
denken, aber den Italienern ist das ganz egal.“ Giardina, der Ehemann der
Künstlerin, stellt in seinen Zeitungsartikeln die Vorurteile der Südeuropäer
über die roboterhafte Perfektion der Germanen schon mal vom Kopf auf die Füße.
Als schönstes Beispiel diente ihm da die Deutsche Bahn, die in der
Zuverlässigkeit schon mehr als italienisch geworden sei.
Öffnungszeiten Zu sehen ist die Ausstellung jeweils
Samstag/Sonntag von 12 bis 18 Uhr im Taubenturm am Marienmünster. Letzter
Öffnungstag ist Sonntag, 8. September.
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